Im Gespräch
mit dem CEO

Dieter Siegel, CEO von Rosenbauer International, über die Veränderungen,
die die Digitalisierung für die Feuerwehren mit sich bringt.

»Wir haben die Ressourcen, um technologisches Neuland zu betreten.«

Herr Siegel, wird sich das Feuerwehrwesen durch die Digitalisierung verändern?

Siegel: Ich denke, das Feuerwehrwesen der Zukunft wird sich strukturell nicht wesentlich vom heutigen unterscheiden. Hat man zum Beispiel noch vor einigen Jahren befürchtet, dass das Freiwilligensystem seinem Ende entgegengeht, zeigt sich inzwischen, dass der Zulauf zum Ehrenamt ungebrochen ist. Es wird aber Veränderungen im Einsatzalltag geben. Hier wird die Digitalisierung vor allem analoges Arbeiten unterstützen und die Einsatzkräfte von Einschränkungen befreien. Zahlreiche Routineabläufe eines Feuerwehreinsatzes wird man automatisiert bzw. digitalisiert ansteuern können. Assistenzsysteme werden in die analoge Technik integriert und eine immer wichtigere Rolle spielen.

Fährt das Feuerwehrfahrzeug der Zukunft womöglich automon zum Einsatz?

Siegel: Ich glaube nicht, dass es eines Tages autonome Alarmfahrten geben wird. Aber wir werden sinnvolle Entwicklungen aus diesem Bereich übernehmen. Ich denke zum Beispiel an das automatische Erkennen von Personen oder Gegenständen, um die Einsatzfahrt sicherer zu machen.

Welchen Stellenwert werden Einsatzmanagementsysteme haben?

Siegel: Diese Systeme werden die Einsatzkommunikation auf ein neues Niveau heben. Dass Feuerwehr und Rettung nicht in der Lage sind, direkt miteinander zu kommunizieren, wird der Vergangenheit angehören. Die Digitalisierung wird sie vernetzen. Es wird sich eine Fülle von Möglichkeiten bieten, einsatzrelevante Daten schon während der Anfahrt einzuholen und so Informationsdefizite bei der Einsatzplanung rasch zu eliminieren. In Zukunft wird man über diese Systeme auch auf Sensordaten der Smart City zugreifen können.

Was ändert die Digitalisierung bei der Produktentwicklung?

Siegel: Wir müssen ganzheitlicher an die Produkte herangehen und bei der Weiterentwicklung konventioneller Technik auch die digitalen Ergänzungen mitdenken. Und wir betreten natürlich Neuland, müssen Entwicklungen initiieren, bei denen nicht absehbar ist, ob sie sich am Markt durchsetzen werden. Das erfordert eine intensive Grundlagenforschung, man muss im Unternehmen neues Know-how aufbauen und benötigt dafür auch eine entsprechende Mindestressourcenausstattung. Darüber hinaus braucht es schon in einer frühen Phase der Produktentwicklung etwas Greifbares, Herzeigbares. Deshalb kann man nicht hundert Versuchsballons starten, sondern muss sich rasch fokussieren und dann professionell und zielgerichtet entwickeln. Und last but not least sollte mit jeder Innovation möglichst auch ein Geschäftsmodell mitgedacht werden.

Wie gelingt der Fokus, wenn die Themen, mit denen man sich beschäftigt, zum Teil völliges Neuland sind?

Siegel: Man kann sich in diesem Fall nicht auf Basis von Fakten, sondern nur auf Basis von sogenannten Best Beliefs, also besten Überzeugungen, fokussieren. Dazu ist, neben den vorhin genannten Prämissen, ein frühzeitiger Dialog mit den Anwendern erforderlich, um die Entwicklung auf ihre Praktikabilität hin abzuklopfen, und bei Bedarf die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, beispielsweise spezialisierten Start-ups aus dem Technologiebereich. Außerdem wird man intern wahrscheinlich eine alternative Organisationsform wählen. Wir haben zum Beispiel das Engineering unseres Zukunftsfahrzeugs mit E-Antrieb in eine eigene Entwicklungsgesellschaft ausgelagert, in der das Fahrzeug frei vom Tagesgeschäft entwickelt und zur Produktion dann wieder an unsere Regelorganisation übergeben wird.

Ist der Rosenbauer Konzern mit dem E-Feuerwehrfahrzeug auf dem richtigen Weg?

Siegel: Ja, weil dieses Produkt für weitere Antriebsentwicklungen offen und exakt auf die Feuerwehren zugeschnitten ist. Außerdem wird es aus heutiger Sicht wenig vergleichbare Konkurrenz durch Fahrzeuge, die auf E-Serienchassis aufgebaut sind, geben. Feuerwehren auf der ganzen Welt sind begeistert von dem Fahrzeug und bestätigen uns in unseren Überzeugungen, von denen eine über allen anderen steht: Unser ganzes Bestreben gilt den Menschen, die aus persönlichem Antrieb anderen und der Gesellschaft in gefährlichen Situationen helfen. Diese Menschen wollen wir bestmöglich unterstützen.